Zur Hinweispflicht des Rechtsanwalts bezüglich der Berechnung der Anwaltsgebühren nach dem Gegenstandswert

BGH, Urteil vom 11.10.2007 – IX ZR 105/06

Zur Hinweispflicht des Rechtsanwalts bezüglich der Berechnung der Anwaltsgebühren nach dem Gegenstandswert

Tenor

Die Revision gegen das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Braunschweig vom 27. April 2006 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Beklagte hatte von seiner damaligen Arbeitgeberin eine fristlose Kündigung erhalten. Deshalb beauftragte er die klagenden Rechtsanwälte, seine Interessen gegenüber der Arbeitgeberin wahrzunehmen. Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Kläger zu 2 den Beklagten gemäß § 49b Abs. 5 BRAO darauf hingewiesen hat, die anwaltliche Vergütung richte sich nach dem Gegenstandswert. Mit Kostennote vom 15. Juni 2005 brachten die Kläger für die Abrechnung einen Gegenstandswert von 30.000 € in Ansatz und berechneten für ihre Tätigkeit 2.485,18 €. Hierauf entrichtete der Beklagte 580 €.

Den Restbetrag machen die Kläger klageweise geltend. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte keinen Erfolg. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist zulässig, aber unbegründet.

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, § 49b Abs. 5 BRAO habe nicht nur berufsrechtliche Relevanz, sondern eine unmittelbare zivilrechtliche Bedeutung. Der Beklagte trage die Beweislast dafür, dass die Kläger nicht gemäß § 49b Abs. 5 BRAO darauf hingewiesen haben, die anwaltliche Vergütung werde nach dem Gegenstandswert bemessen. Aus der Norm selbst und den Gesetzesmaterialien ergebe sich kein Aufschluss über die Beweislast. Es müsse daher bei der allgemeinen Regel verbleiben, nach der jede Partei die Voraussetzungen einer für sie günstigen Norm zu behaupten und nachzuweisen habe. Eine Umkehr der Beweislast sei nicht geboten, weil sonst die Vertrauensbeziehung zwischen Anwalt und Mandant über Gebühr belastet werde, wenn der Anwalt bestrebt sein müsse, sich im Hinblick auf mögliche Regressprozesse eine Beweisunterlage zu schaffen.

II.

Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung stand.

1. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass § 49b Abs. 5 BRAO auch zivilrechtliche Bedeutung aufweist. Dies steht im Einklang mit der nach Erlass des Berufungsurteils ergangenen Senatsentscheidung vom 24. Mai 2007. Danach ist der Rechtsanwalt, der den Mandanten vor Übernahme des Auftrags schuldhaft nicht darauf hinweist, dass sich die für seine Tätigkeit zu erhebenden Gebühren nach dem Gegenstandswert richten, dem Mandanten zum Ersatz des hierdurch verursachten Schadens verpflichtet (BGH, Urt. v. 24. Mai 2007 – IX ZR 89/06, NJW 2007, 2332).

Wie der Senat ausgeführt hat, muss der Anwalt gemäß § 49b Abs. 5 BRAO, wenn sich seine Gebühren nach dem Gegenstandswert richten (§ 2 Abs. 1 RVG), seinen Mandanten vor Übernahme des Auftrags hierauf hinweisen. Grund für diese Neuregelung war der Umstand, dass es in der Vergangenheit immer wieder zu Unzuträglichkeiten geführt hatte, wenn Mandanten vor allem bei hohen Gegenstandswerten von der Abrechnung „überrascht“ wurden. Dabei ging der Gesetzgeber davon aus, dass nach einem entsprechenden Hinweis ein Mandant, der die Folgen dieser Form der Gebührenberechnung nicht abschätzen kann, den Rechtsanwalt hierzu näher befragt. Die vorvertragliche Pflicht, den zukünftigen Mandanten gemäß § 49b Abs. 5 BRAO zu belehren, dient in erster Linie dem Schutz des Mandanten. Eine schuldhafte Verletzung dieser Pflicht führt deshalb gemäß § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2 BGB zur Schadensersatzpflicht des Rechtsanwalts (BGH, Urt. v. 24. Mai 2007, aaO S. 2333 f).

2. Zu Recht hat das Berufungsgericht ferner angenommen, dass der Mandant im Rahmen eines geltend gemachten Schadensersatzanspruches die Beweislast dafür trägt, der Anwalt sei seiner Hinweispflicht nach § 49b Abs. 5 BRAO nicht nachgekommen.

a) In der Entwurfsbegründung wird lediglich der Schutzzweck der Regelung zu Gunsten des Mandanten angesprochen. Die Frage der Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die in § 49b BRAO normierte vorvertragliche Unterrichtungsverpflichtung wird dagegen nicht erörtert. Es fehlen daher auch Ausführungen dazu, wer bei Annahme einer Ersatzpflicht wegen eines unterlassenen Hinweises die Beweislast hinsichtlich der Verletzung der Unterrichtungsverpflichtung zu tragen hat.

b) Im Schrifttum wird – bezogen auf § 49b BRAO – überwiegend die Ansicht vertreten, der Anwalt müsse nachweisen, dass er seiner Hinweispflicht Genüge getan habe (Madert in Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG, 17. Aufl. § 4 Rn. 99; Braun in Hansens/Braun/N. Schneider, Praxis des Vergütungsrechts, Rn. 147; Hansens RVGreport 2004, 443, 449; Rick AnwBl. 2006, 648, 650; dagegen Zugehör in Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, Handbuch der Anwaltshaftung 2. Aufl. Rn. 805). Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden.

aa) Die Hinweispflicht des § 49b BRAO dient der Konkretisierung der allgemeinen Berufspflicht des Rechtsanwaltes und soll den Mandanten insbesondere bei hohen Gegenstandswerten auf die Abrechnungsgrundlage der von ihm zu entrichtenden Vergütung aufmerksam machen und ihm die Möglichkeit eröffnen, gegebenenfalls weitere Fragen hierzu an den Anwalt zu richten (vgl. BT-Drucks. 15/1971 S. 232 zu Art. 4 Abs. 18). Zivilrechtlich handelt es sich hierbei um eine Beratungspflicht. Daher sind hierauf die allgemeinen Rechtsgrundsätze anzuwenden.

bb) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs trägt derjenige, der eine Aufklärungs- oder Beratungspflichtverletzung behauptet, dafür die Beweislast. Die mit dem Nachweis einer negativen Tatsache verbundenen Schwierigkeiten werden dadurch ausgeglichen, dass die andere Partei die behauptete Fehlberatung substantiiert bestreiten und darlegen muss, wie im Einzelnen beraten bzw. aufgeklärt worden sein soll. Dem Anspruchsteller obliegt dann der Nachweis, dass diese Darstellung nicht zutrifft (BGHZ 126, 217, 225; 166, 56, 60; BGH, Urt. v. 16. September 1981 – IVa ZR 85/80, WM 1982, 13, 16; v. 5. Februar 1987 – IX ZR 65/86, WM 1987, 590, 591; v. 9. November 1989 – IX ZR 261/88, WM 1990, 115 f; v. 3. Dezember 1992 – IX ZR 61/92, WM 1993, 510, 512; v. 10. Dezember 1998 – IX ZR 358/97, WM 1999, 645, 646).

c) Eine Beweislastumkehr oder Beweiserleichterung ergibt sich auch nicht aus dem Gesichtspunkt der Verletzung einer Dokumentationsobliegenheit. Nach dem Sachvortrag der Parteien hat der Kläger zu 2 die Erfüllung seiner Hinweispflicht aus § 49b Abs. 5 BRAO zwar nicht schriftlich dokumentiert. Eine Obliegenheit oder Pflicht zur Dokumentation bestand aber auch nicht. Sie ergibt sich weder aus dem Anwaltsvertrag noch aus dem ihm vorausgehenden vorvertraglichen Schuldverhältnis.

Aus einem Schuldverhältnis kann sich zwar gemäß § 242 BGB eine Dokumentationspflicht des Vertragspartners ergeben, der die Belange des anderen wahrzunehmen hat und dabei Maßnahmen oder Feststellungen trifft, die der andere nicht selbst erkennen oder beurteilen kann (vgl. BGH, Urt. v. 15. November 1984 – IX ZR 157/83, WM 1985, 138, 139). Eine solche Pflicht, die etwa Ärzte trifft (BGHZ 72, 132, 138; BGH, Urt. v. 6. Juli 1999 – VI ZR 290/98, NJW 1999, 3408, 3409 f), besteht aber bei der Beratung durch Rechtsanwälte und Steuerberater (vgl. BGH, Urt. v. 1. Oktober 1987 – IX ZR 117/86, NJW 1988, 200, 203 und v. 13. Februar 1992 – IX ZR 105/91, NJW 1992, 1695, 1696; ferner Sieg in Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee aaO Rn. 782 f) ebenso wenig wie bei der Anlageberatung durch Kreditinstitute (BGHZ 166, 56, 61).

3. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass der Beklagte die geltend gemachte Verletzung der Hinweispflicht aus § 49b Abs. 5 BRAO nicht nachgewiesen hat. Die Kläger haben substantiiert dargelegt, dass der Kläger zu 2 den Beklagten darauf hingewiesen hat, die Anwaltsvergütung richte sich nach dem Gegenstandswert. Beweis für das Gegenteil hat der Beklagte nicht angetreten.

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